08.09.2001,
Worming Sheep at the Bush Ranch
Als
ich morgens um halb sechs aufstand bereute ich es schon, zugesagt zu haben
beim Worming auf der Bush Ranch zu helfen. Es war stockduster und eisig
kalt.
In
der Lodge war noch alles am schlafen, als ich mir kalten Kaffee in der
Mikrowelle aufwärmte, der passend zu diesem ungemütlichen Morgen
auch noch dünn wie Spülwasser war.
Gegen
sechs fuhr ich los und sah am Horizont die Sonne aufgehen, was mich hoffen
ließ, dass die düsteren Wolkenfronten im Laufe des Vormittags
verschwinden würden. Auf der Bush Ranch warteten Shelly und Glenn
schon auf den Startschuß zur Arbeit, ich stellte mich zu ihnen in
den Werkzeugschuppen bis Nick kam und zusammen mit Shelly und Hal die Schafe
in die Korrals trieb. Sie benutzten dafür einen Four-Wheeler und Motorräder,
weswegen ich ziemlich nutzlos war und eine Stunde lang frierend auf der
Ranch herum wanderte und um Sonne betete.
Schließlich
waren ca. 2600 Schafe in den Korrals. Das Team für den Tag bestand
aus Shelly (Saisonhelferin), Glenn (Ranch-Hand), Hal (Foreman), Nick (Ranch-Manager),
Warren (Ranchbesitzer) und mir (German Tourist).
Die
Schafe wurden in einen sogenannten „Shood“ getrieben, dies war ein schmaler
Gang, durch den die Schafe nur hintereinander gehen konnten. Dann kam eine
Klappe, an der die Schafe in Muttertiere und Lämmer sortiert wurden.
Dahinter waren zwei Gänge, in denen jeweils fünfundzwanzig bis
dreissig Tiere Platz hatten, je nach dem, wie gut ich meinen Job machte
und sie „stopfte“. Die Schafe mussten in diesen beiden Gängen möglichst
eng stehen, damit sie beim anschließenden Entwurmen nicht durcheinander
liefen und wir den Überblick verloren, welche bereits das Medikament
bekommen hatten und welche nicht. Das Entwurmungsmittel wurde in
eine Plastikflasche gefüllt und mit einer Art Pistole ins Maul gespritzt.
Nach dem Entwurmen wurden die Schafe gezählt und dann in einen anderen
Korral getrieben - die nächste Ladung konnte kommen. Bei 2600 Schafen
bedeutete dies, dass wir die Shoods etwa fünfzig mal füllen mussten.
Shelly
und Warren trieben die Schafe von Korral zu Korral und in den „Shood“,
Nick und Glenn halfen sie in den Shood zu treiben, Hal sortierte die Schafe
in Muttertiere und Lämmer, ich musste die Shoods stopfen und schließlich
wurden die Schafe von Glenn, Hal und Nick entwurmt. Nach einer Stunde Arbeit
in der Kälte begann es zu regnen, das reinste Aprilwetter setzte ein
- Regen, Wolken, etwas Sonne, wieder Regen. Nach zehn „Shoods“ machten
wir eine Kaffeepause mit dem dünnsten Kaffee, den ich je getrunken
hatte (aber er war wenigstens heiß!) und sehr leckeren Brownies von
Hals Frau. Nach weiteren fünfzehn Shoods und durchnässten Klamotten
trennten wir uns für die Mittagspause. Da ich inzwischen gelernt hatte,
dass es bei Nick nur gefrorenen Toast und Dosensuppe gab hatte ich Leftovers
von der Lake Ranch mitgebracht, die ich mir in der Mikrowelle aufwärmte
und mit Nick teilte, der dazu etwas aß, was wie warmer Heringsdipp
schmeckte. Ich boykottierte dieses Dosenfressen aus zwei Gründen -
zum einen war es wirklich widerlich und zum anderen war es von der Firma
"Campbell" - dieser große Lebensmittelhersteller war der Besitzer
der Nachbarranch, die uns so viel Ärger wegen dem Zaunbau gemacht
hatte.
Nach
dem Essen luden wir die restlichen fünfundzwanzig Shoods - die Korrals
mit den noch zu behandelnden Schafen schienen einfach nicht leerer zu werden,
und der Regen auch nicht mehr aufzuhören. Für die letzten beiden
Shoods durfte ich das Sortieren der Schafe ausprobieren - war ein bisschen
wie ein Videospiel, man musste sehr schnell reagieren, um die Klappe jeweils
zu schließen und zu öffnen, wenn die Schafe dicht hintereinander
den Gang entlang liefen. Dabei wurde nicht viel Rücksicht darauf genommen,
wenn man ein Schaf mit der Klappe einklemmte, weil es versuchte sich in
den falschen Shood zu drängen - es ging halt einfach zu schnell.
Gegen
halb fünf waren wir fertig mit dem Entwurmen - abzüglich Mittagspause
sieben Stunden konzentrierte Arbeit.
„So
- could you imagine to sell your computer business and start sheep business?“
fragte Nick mich und bekam ein klares „No!“ zu hören. Die Viecher
stanken, waren strohdoof, und - das störte mich am meisten - sie waren
unheimlich empfindlich und starben wie die Fliegen. Seit dem Docking, das
vor zehn Wochen statt fand, waren dreiundzwanzig Mutterschafe und vierundneunzig
Lämmer verschwunden. Gestorben an Infektionen oder von Kojoten und
Adlern erbeutet. Eine Rinderzucht konnte ich mir eher vorstellen, das war
greifbarer. Allerdings auch mehr Arbeit. Um die Schafe musste man sich
vier mal im Jahr kümmern - zum Scheren, zum Docking (Kennzeichnung,
Impfung und Kastration der Lämmer), zum Entwurmen und zum Shipping
(Sortieren und Verkauf der Lämmer), was jeweils einen Tag viel Arbeit
machte - ansonsten waren sie die reinsten Selbstversorger, die nur ab und
zu mal von Weide zu Weide gerieben werden mussten. Die Rinder machten im
Frühjahr sechs Wochen lang Arbeit (beim Kalben mussten alle Neugeborenen
mit einem Lasso gefangen und gekennzeichnet werden), dann kam das Branding
(Brandzeichen, Impfung und Kastration), Pregnancy-Checks (Schwangerschaftstests)
und Shipping. Und zudem ein langer Winter - die Rinder waren keine Selbstversorger,
sondern mussten den ganzen Winter über mit Heu gefüttert werden,
was bedeutete, dass im Sommer zusätzlich sechs bis acht Wochen lang
Heu gemacht werden musste.
Hal,
Shelly und Nick mussten die Schafe zurück auf eine Weide treiben,
während ich Glenn beim Wegräumen der Arbeitsmittel half und die
Getränke zurück ins Haus brachte, die Kühlboxen (die wir
bei dem Wetter wirklich nicht gebraucht hätten) auswusch und in einem
Anfall von Arbeitswut den Kellerraum, wo das ganze Zeug gelagert wurde,
aufräumte.
Für
den Abend hatte ich eine Einladung zum Video gucken, die ich mir damit
verdienen musste, dass ich Abendessen kochte. Aus Ermangelung an geeigneten
Lebensmittelvorräten (es gab eigentlich nur Tiefkühlpizza, Doseneintöpfe
und gefrorenes Gemüse) versuchte ich es mit einem Omelett mit Zwiebeln,
Speck, Käse und Tomaten, das als Rührei mit Zwiebeln, Speck,
Käse und Tomaten endete, weil die Pfanne das Omelett nicht wieder
hergeben wollte.
Unterbrochen
von Warren und Shelly, die andauernd ins Wohnzimmer liefen, um irgendwelche
Fragen zu stellen oder das Telefon zu benutzen bekam ich dann meinen ersten
Film seit über drei Monaten zu sehen - eine Westernkomödie mit
Mel Gibson. Eigentlich war ich nie ein großer Fernsehgucker, aber
ich musste zugeben: ab und zu mal entspannt vorm Fernseher zu hocken war
doch weit erholsamer als Abend für Abend am Rechner zu sitzen.
Als
ich gegen zehn meinen Pickup startete um zurück zur Ranch zu fahren
waren die Frontscheiben vereist - September in Wyoming: von dreissig Grad
im Schatten zu Minusgraden in drei Tagen. |

Die leeren
Korrals am Morgen

Die vollen
Korrals den ganzen Tag über ...

Die "Shoods"
- links die Mütter, rechts die Lämmer

Shelly
und Warren bereit für die nächste Ladung

Hal beim
sortieren

Glenn
beim entwurmen ...

... und
Hal beim entwurmen

Feierabend!
|